Das 19. Jahrhundert versuchte, ein selbstregulierendes Wirtschaftssystem iuf der Grundlage des individuellen Gewinnstrebens zu errichten. Wir sind der Auffassung, daß ein solches Unterfangen angesichts der Natur der Dinge nicht zu verwirklichen war. Hier geht es uns nur um die verzerrte Auffassung von Leben und Gesellschaft, die eine solche Einstellung zur Folge haben muß. So meinten Denker des 19. Jahrhunderts beispielsweise, »sich wie ein Händler auf dem Markt zu verhalten sei »natürlich«, und jegliche andere Verhaltensweise sei im Bereich der Wirtschaft künstlich, die Volge von Eingriffen in die menschlichen Instinkte; sie meinten, daß sich Märkte von selbst bilden würden, wenn man die Menschen gewähren ließe; ind daß unabhängig davon, ob eine solche Gesellschaft im ethischen Sinne rwünscht sei, zumindest die Möglichkeit, sie aufzubauen, in den unverän-lerbaren Charakteristika der Menschheit begründet sei. Fast das genaue Gegenteil dieser Feststellungen beweisen die Ergebnisse der modernen Forschung auf verschiedenen Gebieten der Sozialwissenschaft, wie Sozialanthropologie, urtümliche Wirtschaft, Geschichte der frühen Zivilisatioen und allgemeine Wirtschaftsgeschichte. So gibt es in den anthropologi-chen und soziologischen Thesen, die in der Philosophie des Wirtschaftsliberalismus explizit oder implizit enthalten sind, kaum eine, die nicht inzwischen widerlegt worden wäre. Einige Zitate mögen dies aufzeigen:
a) Das Profitmotiv ist für den Menschen nicht »natürlich«
b) Die Erwartung von Bezahlung für Arbeit ist für den Menschen nicht »natürlich«
c) Die Beschränkung der Arbeit auf das unvermeidliche Minimum ist für den Menschen nicht »natürlich«
d) Der normale Anreiz zur Arbeit ist nicht der Profit, sondern Gegenseitigkeit, Wettbewerb, Freude an der Arbeit und soziale Anerkennung
e) Der Mensch bleibt durch die Zeitalter derselbe
f) Wirtschaftssysteme sind in der Regel im gesellschaftlichen Gefüge eingebettet; die Distribution materieller Güter wird durch nichtökonomische Beweggründe gewährleistet
g) Individuelle Nahrungs-suche für den eigenen Gebrauch oder die eigene Familie ist für das Leben des Frühmenschen nicht charakteristisch
h) Gegenseitigkeit und Umverteilung sind Grundsätze ökonomischen Verhaltens, die nicht nur für kleine, primitive Gemeinwesen gelten, sondern auch für große und reiche Imperien
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